EU AI Act & Compliance im Recruiting

Der EU AI Act ist seit August 2024 in Kraft und verändert die Spielregeln für KI im Recruiting. Für Personalvermittler, Recruiter und HR-Manager heißt das: Chancen nutzen – und Compliance sauber aufsetzen. Dieser Leitfaden erklärt verständlich, was die Verordnung verlangt, welche Systeme als hochriskant gelten und wie Sie mit pragmatischen Maßnahmen heute rechtskonform arbeiten.
Kurz zusammengefasst
- Der EU AI Act verfolgt einen risikobasierten Ansatz mit vier Kategorien (unzulässig, hoch, begrenzt, minimal).
- KI im Recruiting (z. B. CV-Screening, Matching, Testauswertung) ist in der Regel hochriskant – mit strengen Pflichten.
- Allgemeine KI-Modelle (GPAI) erhalten zusätzliche Leitplanken wie einen freiwilligen Verhaltenskodex und Vorlagen zur Datentransparenz.
- Verstöße sind teuer: bis zu 7 % des weltweiten Umsatzes bei Verbotstatbeständen.
- Mit einer klaren Governance, Dokumentation, Transparenz und Human-in-the-Loop ist Compliance machbar – und ein Wettbewerbsvorteil.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist der EU AI Act? Der risikobasierte Ansatz
- Welche Recruiting-Anwendungen sind betroffen?
- Pflichten für Anbieter vs. Anwender (Deployers)
- GPAI-Update 2025: Leitlinien, Kodex, Datentransparenz
- Praxisleitfaden: 10 Schritte zur AI-Compliance im Recruiting
- One-Click-Bewerbung & automatische Exposés: so bleiben Sie konform
- Durchsetzung und Sanktionen
- So unterstützt Sie unsere SaaS-Lösung
Was ist der EU AI Act? Der risikobasierte Ansatz
Die EU-KI-Verordnung ist der erste umfassende Rechtsrahmen für Künstliche Intelligenz. Zentral ist der risikobasierte Ansatz, der KI-Systeme in vier Klassen einordnet:
- Unzulässiges Risiko: z. B. Social Scoring oder biometrische Echtzeitüberwachung – verboten.
- Hohes Risiko: u. a. KI in Beschäftigung, Bildung, kritischer Infrastruktur – strenge Vorgaben.
- Begrenztes Risiko: spezifische Transparenzpflichten.
- Minimales Risiko: keine besonderen Pflichten.
Offizielle Hintergründe und Überblick:
- EU-Kommission zum Regelwerk: https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/policies/regulatory-framework-ai
- Governance & Aufsicht: https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/policies/ai-act-governance-and-enforcement
Der Anspruch: Innovation ermöglichen – und zugleich Grundrechte, Nichtdiskriminierung und Sicherheit wahren.
Welche Recruiting-Anwendungen sind betroffen?
KI, die Entscheidungen im Beschäftigungskontext vorbereitet oder trifft, gilt in der Regel als hochriskant. Dazu zählen insbesondere:
- CV-Parsing, Ranking und Matching von Kandidaten
- Automatisierte Eignungsdiagnostik, Test-Scoring, Videointerview-Analyse
- Entscheidungsunterstützungstools für Shortlists oder Angebote
Warum hochriskant? Weil Fehlentscheidungen direkte Auswirkungen auf Zugänge zum Arbeitsmarkt haben können (Diskriminierung, Intransparenz, unfaire Ausschlüsse). Für Sie als Personalvermittler bedeutet das: höhere Sorgfalt, klare Kontrollen und belastbare Dokumentation.
Tipp: Grundlagen und Trends zur KI im Recruiting finden Sie in unserem Überblick zu Personalvermittlung und KI.
Pflichten für Anbieter vs. Anwender (Deployers)
Je nach Rolle unterscheiden sich Pflichten. Grob gilt:
- Anbieter (Provider) von Hochrisiko-KI:
- Risikomanagement, Daten- und Datenqualitätssicherung
- Technische Dokumentation, Logging, Genauigkeits- und Robustheitsanforderungen
- Menschliche Aufsicht ermöglichen, Informationen bereitstellen
- Anwender (Deployers) von Hochrisiko-KI im Recruiting:
- Nutzung gemäß Anbieteranweisungen und Zweckbindung
- Geeignete menschliche Aufsicht sicherstellen (Human-in-the-Loop)
- Relevante Logs bewahren, Performance überwachen, Vorfälle melden
- Transparenz gegenüber Bewerbenden, insbesondere bei KI-gestützten Bewertungen
- Datenmanagement nach DSGVO (Rechtsgrundlage, Informationspflichten, Betroffenenrechte)
Praxisnaher Einstieg: Der EU-AI-Act-Compliance-Checker hilft bei einer Selbstbewertung der Pflichten: https://artificialintelligenceact.eu/assessment/eu-ai-act-compliance-checker/
GPAI-Update 2025: Leitlinien, Kodex, Datentransparenz
Für allgemeine KI-Modelle (General Purpose AI, GPAI) hat die EU im Juli 2025 drei Instrumente eingeführt:
- Leitlinien für GPAI-Anbieter: klären Pflichten und Anwendungsbereich.
- Freiwilliger GPAI-Verhaltenskodex: praktische Anleitungen zu Transparenz, Urheberrecht sowie Sicherheits- und Schutzanforderungen.
- Vorlage für die öffentliche Zusammenfassung von Trainingsdaten: Überblick zu Quellen und Verarbeitung.
Diese Instrumente sollen den Umgang mit Basismodellen im HR-Alltag erleichtern und die administrative Last senken. Aktuelle Berichte zur Umsetzung:
- Reuters: https://www.reuters.com/sustainability/boards-policy-regulation/ai-models-with-systemic-risks-given-pointers-how-comply-with-eu-ai-rules-2025-07-18/
- AP News: https://apnews.com/article/a3df6a1a8789eea7fcd17bffc750e291
Wichtig für Recruiter: Nutzen Sie GPAI (z. B. LLMs) in hochriskanten HR-Prozessen, greifen die strengeren Hochrisiko-Pflichten Ihrer Anwendung zusätzlich.
Praxisleitfaden: 10 Schritte zur AI-Compliance im Recruiting
Setzen Sie „Compliance by Design“ um – pragmatisch und messbar:
- Bestandsaufnahme Ihrer KI-Nutzung
- Welche Tools nutzen Sie für Parsing, Matching, Scoring, Exposé-Erstellung?
- Zweck, Datenarten, Schnittstellen, betroffene Prozesse erfassen.
- Risikoklassifizierung und Scope
- Einordnung der Systeme (hochriskant, begrenztes Risiko). Dokumentieren Sie Annahmen.
- Governance & Verantwortlichkeiten
- Rollen definieren: Product Owner, Responsible AI Lead, Datenschutz, IT-Security.
- Eskalationswege und Freigabeprozesse festlegen.
- Datenqualität und Fairness
- Trainings-/Referenzdaten prüfen (Repräsentativität, Bias, Aktualität).
- Fairness-Metriken und regelmäßige Audits etablieren; Fehlerdaten nutzen, um Modelle zu verbessern.
- Transparenz für Bewerbende
- Klare Hinweise, wo KI beteiligt ist (z. B. beim Matching).
- Verständliche Erläuterungen zur Funktionsweise und zu Auswirkungen auf Entscheidungen.
- Verweisen Sie in Kandidateninformationen auch auf Themen wie Arbeitszeugnis-Formulierungen, wenn relevant.
- Human-in-the-Loop
- Kritische Schritte (z. B. endgültige Shortlist) werden von geschulten Recruitern überprüft.
- Vier-Augen-Prinzip bei Ablehnungen, die primär KI-basiert vorbereitet wurden.
- Loggings und Monitoring
- Versionierung von Modellen, Parameter-Changes, Score-Outputs.
- Qualitätskennzahlen (Genauigkeit, Falsch-Negativ-Rate) regelmäßig prüfen.
- Dokumentation & Erklärbarkeit
- „Model Cards“ und „Data Sheets“ pflegen.
- Für Kandidaten verständliche Erklärungen bereitstellen (Warum wurde ich gematcht/ausgeschlossen?).
- Verträge und Lieferantensteuerung
- Anbieter auf AI-Act-Konformität prüfen (Datenmanagement, Sicherheit, Support).
- Vertragsklauseln zu Transparenz, Auditrechten, Incident-Handling und Subprozessoren.
- Datenschutz und Sicherheit (TOMs)
- DSGVO-Check (Rechtsgrundlage, Informationspflichten, DPIA falls erforderlich).
- Zugriffskontrollen, Verschlüsselung, Berechtigungskonzepte, Löschkonzepte.
Extra-Tipp: Nutzen Sie interne Schulungen. Ein kurzes, wiederkehrendes Training senkt Fehlbedienung und stärkt AI Governance im Recruiting.
One-Click-Bewerbung & automatische Exposés: so bleiben Sie konform
Unsere Zielgruppe arbeitet mit hoher Taktung. Gerade deshalb sollten „schnell“ und „rechtskonform“ Hand in Hand gehen:
- One-Click-Bewerbung
- Transparenzbanner: kurz erklären, welche KI-Schritte folgen (Parsing, Matching).
- Einwilligungen sauber einholen (z. B. für Profilanreicherung oder Talentpool).
- Barrierearme Opt-out-Optionen anbieten, ohne die Bewerbung zu benachteiligen.
- Automatische Kandidaten-Exposés
- Kennzeichnen, wenn Textelemente KI-gestützt generiert wurden.
- Datenminimierung: nur relevante, aktuelle und verifizierte Informationen.
- Menschliche Qualitätssicherung vor Versand an Kund:innen.
- Nachvollziehbarkeit: Welche Quellen/Angaben flossen ein? Versionierte Exposé-Historie.
- Bias vermeiden
- Keine sensiblen Attribute (z. B. Geschlecht, Herkunft) für Matching/Scoring verwenden.
- Regelmäßig stichprobenartige Prüfläufe auf Benachteiligungen.
- Kandidatenrechte
- Einfache Wege zur Auskunft, Korrektur, Widerspruch und Löschung.
- Klarer Ansprechpartner, definierte Service-Level.
Vertiefendes Grundwissen zur Branche finden Sie in unserem Beitrag Personalvermittlung: Grundlagen, Prozesse, Tools sowie in unserem Überblick zur Arbeitnehmerüberlassung, wenn Sie in Mischmodellen arbeiten.
Durchsetzung und Sanktionen
Die Aufsicht liegt beim Europäischen KI-Büro und den nationalen Marktüberwachungsbehörden. Ein Europäischer Ausschuss für KI unterstützt Koordination und Auslegung:
- Governance-Überblick: https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/policies/ai-act-governance-and-enforcement
Sanktionsrahmen bei Verstößen:
- Bis zu 40 Mio. € oder 7 % des weltweiten Jahresumsatzes für verbotene Praktiken
- Bis zu 20 Mio. € oder 4 % für Verstöße gegen Daten- und Transparenzanforderungen
- Bis zu 10 Mio. € oder 2 % für sonstige Verstöße
Diese Größenordnung unterstreicht: Proaktive Compliance ist wirtschaftlich sinnvoll.
So unterstützt Sie unsere SaaS-Lösung
Unsere Software für Personalvermittler wurde entwickelt, um Geschwindigkeit mit Compliance zu verbinden:
- Compliance by Design
- Transparenzmodule für One-Click-Bewerbung, Einwilligungsmanagement
- Kandidaten-Informationsseiten inkl. verständlicher KI-Hinweise
- Dokumentation & Audit-Fähigkeit
- Automatische Logs für Parsing, Matching, Exposé-Versionen
- Model Cards und konfigurierbare Fairness-Reports
- Human-in-the-Loop
- Verpflichtende Review-Schritte vor finalen Entscheidungen
- Rollen- und Rechtemanagement mit Vier-Augen-Prinzip
- Datenschutz & Sicherheit
- DSGVO-Features (Auskunft, Löschung, Widerspruch), Verschlüsselung, granularer Zugriff
- Effizienz
- Ein-Klick-Bewerbung ohne Reibungsverluste
- KI-gestützte Exposés mit menschlicher Qualitätssicherung
Wenn Sie bestehende Prozesse modernisieren oder neue AI-gestützte Workflows einführen möchten, beraten wir Sie gern – von der Risikoklassifizierung bis zur Auditvorbereitung. Eine aktuelle Brancheneinordnung finden Sie auch in unserem Artikel Zeitarbeit: Absteigender Ast? mit Blick auf Marktdynamiken.
Hinweis: Einige Tech-Unternehmen haben sich unterschiedlich zu freiwilligen Instrumenten des AI Acts positioniert. Unabhängig davon gilt: Für Ihr Recruiting zählen die verbindlichen Anforderungen. Halten Sie sich an offizielle Leitlinien und sichern Sie sich mit klarer AI Governance ab.