Das Arbeitszeugnis 2025: Regeln, Codes, E‑Zeugnis
Ein überzeugendes Arbeitszeugnis ist im Recruiting nach wie vor ein wichtiges Puzzleteil – auch wenn Standardformulierungen seine Aussagekraft teils relativieren. Seit 2025 kommt mit dem elektronischen Arbeitszeugnis eine neue Dimension hinzu: qualifizierte eSignatur, Validierung und digitale Workflows. Dieser Leitfaden zeigt, wie Recruiter, Personalvermittler und HR-Manager Zeugnisse rechtssicher anfordern, bewerten und effizient in den Prozess integrieren.
Kurz zusammengefasst
- Qualifiziertes Arbeitszeugnis bleibt Goldstandard; Zwischenzeugnisse sind im Wechsel sinnvoll.
- Seit 01.01.2025: elektronisches Arbeitszeugnis mit qualifizierter elektronischer Signatur (QES) möglich – Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich.
- Wohlwollend und wahrheitsgemäß: Formvorgaben beachten, verbotene Inhalte vermeiden (AGG).
- Noten-Codes entschlüsseln: „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ = gut; „zu unserer Zufriedenheit“ = befriedigend.
- Anspruch verjährt i. d. R. nach 3 Jahren; Verwirkung bei verspäteter Geltendmachung möglich.
- Praxis: Zeugnisse systematisch prüfen, QES validieren, Rückfragen stellen, Alternativen nutzen (Referenzen, Arbeitsproben).
Inhaltsverzeichnis
- Was ist ein Arbeitszeugnis? Arten und Rechtsgrundlagen
- Neu 2025: Das elektronische Arbeitszeugnis (QES)
- Form, Inhalt und verbotene Angaben
- Zeugnissprache und Noten-Codes entschlüsseln
- Checkliste: Zeugnisse professionell prüfen
- Best Practices im Recruiting-Prozess
- Automatisierung im HR-Workflow: So unterstützt Software
- Fristen, Korrekturen und Anspruchsdurchsetzung
Was ist ein Arbeitszeugnis? Arten und Rechtsgrundlagen
Ein Arbeitszeugnis dokumentiert Art und Dauer des Beschäftigungsverhältnisses und – beim qualifizierten Zeugnis – Leistung und Verhalten. Es dient Kandidaten als Leistungsnachweis und Recruitern als zusätzliche valide Quelle neben CV, Referenzen und Arbeitsproben.
Arten:
- Einfaches Arbeitszeugnis: Angaben zu Tätigkeit und Beschäftigungsdauer.
- Qualifiziertes Arbeitszeugnis: Zusätzlich Bewertung von Leistung, Verhalten, ggf. Führungsverhalten – der Standard im Bewerbungsprozess.
- Zwischenzeugnis: Bei Vorgesetztenwechsel, internen Bewerbungen oder längeren Projekten sinnvoll, um aktuelle Leistungen zu dokumentieren.
Rechtsgrundlage:
- Der Anspruch ist gesetzlich verankert; das Zeugnis muss klar, wahrheitsgemäß und wohlwollend formuliert sein (§ 109 GewO). Weiterführend: https://www.gesetze-im-internet.de/gewo/__109.html
Hinweis: Dieser Artikel ersetzt keine Rechtsberatung; prüfen Sie im Zweifel mit Ihrer Rechtsabteilung oder externem Counsel.
Neu 2025: Das elektronische Arbeitszeugnis (QES)
Seit dem 01.01.2025 können Arbeitgeber Arbeitszeugnisse auch elektronisch ausstellen – allerdings nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers und einer qualifizierten elektronischen Signatur (QES). Ein einfaches PDF oder Scan genügt nicht.
Wesentliche Punkte:
- Qualifizierte elektronische Signatur erforderlich; sie macht das Dokument rechtlich beweissicher. Überblick z. B. bei der IHK: https://www.ihk.de/schwaben/produktmarken/beratung-und-service/recht-und-steuern/arbeitsrecht-und-personal/arbeitszeugnis-5477208
- Korrekturen und Zeitstempel: Bei nachträglichen Anpassungen ist die Rückdatierung üblich. Digitale Zeitstempel können dies erschweren – beachten Sie saubere Korrekturprozesse und Dokumentation. Einschätzung aus der Praxis: https://unternehmen.schomerus.de/aktuelles/aktuelles-zu-arbeitszeugnissen
- Akzeptanz im Recruiting: Implementieren Sie eine Signaturprüfung und eine sichere, revisionssichere Ablage.
Praxis-Tipp:
- Implementieren Sie einen QES-Check (z. B. via Signaturvalidierungstools) und dokumentieren Sie die Prüfung im Kandidatenprofil.
- Bieten Sie Kandidaten die Möglichkeit, E‑Zeugnisse direkt digital hochzuladen; vermeiden Sie Medienbrüche.
Form, Inhalt und verbotene Angaben
Form und Mindestanforderungen:
- Vollständigkeit: Name, Beschäftigungszeitraum, Position(en), Tätigkeitsbeschreibung, Leistung, Verhalten, Ort, Datum, Unterschrift (bei Papierform).
- Sauberkeit und Formalia: Firmenpapier, keine Rechtschreibfehler, keine Knicke oder Flecken bei Papierzeugnissen.
- Seit 2025 zulässig: elektronische Form mit QES.
Verbotene Inhalte:
- Keine Angaben zu Religion, ethnischer Herkunft, politischer Meinung, Gewerkschaftszugehörigkeit, Krankheit, Schwangerschaft etc. – das verbietet das AGG. Gesetzestext: https://www.gesetze-im-internet.de/agg/
Wohlwollend und wahrheitsgemäß:
- Das Zeugnis darf die Bewerbungschancen nicht unnötig erschweren, muss aber sachlich korrekt sein. Deshalb haben sich „kodierte“ Formulierungen etabliert, die Noten andeuten.
Zeugnissprache und Noten-Codes entschlüsseln
Hinter Standardformulierungen verbirgt sich meist eine Notenskala. Typische Beispiele:
- „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ = gut (Note 2)
- „zu unserer vollen Zufriedenheit“ = befriedigend bis gut (2–3, Kontext beachten)
- „zu unserer Zufriedenheit“ = befriedigend (Note 3)
- „im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit“ = ausreichend (Note 4)
- „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ = sehr gut (Note 1), in der Praxis aber seltener geworden
Achten Sie auf:
- Konsistenz zwischen Aufgabenkomplexität und Bewertung.
- Reihenfolge der Bewertungspunkte (Leistung, Fachwissen, Sozialverhalten, Führungsverhalten).
- Schlussformel: Dank, Bedauern, gute Wünsche; deren Fehlen kann negativ interpretiert werden.
Hintergrundwissen zur Zeugnissprache: https://de.wikipedia.org/wiki/Arbeitszeugnis
Wichtig:
- Studien deuten darauf hin, dass ein großer Teil heutiger Zeugnisse aus Textbausteinen entsteht und nur wenige vollständig individuell sind. Das reduziert die Vergleichbarkeit – noch ein Grund, Zeugnisse nie isoliert zu betrachten.
Long-Tail-Keyword integriert: „Arbeitszeugnis Formulierungen entschlüsseln“.
Checkliste: Zeugnisse professionell prüfen
Nutzen Sie diese strukturierte Prüfung, bevor Sie eine Aussage aus dem Zeugnis in die Bewertung übernehmen:
- Formale Prüfung
- Ist das Dokument vollständig (Datum, Unterschrift/QES, Anschrift, Ansprechpartner)?
- Stimmt der Zeitraum mit CV und Referenzen überein?
- Bei E‑Zeugnis: QES gültig? Signaturzertifikat geprüft?
- Inhaltliche Prüfung
- Tätigkeiten detailliert und positionsadäquat beschrieben?
- Leistungs- und Verhaltensbeurteilung konsistent und plausibel?
- Führungsverantwortung, Budget, Projekte, KPIs konkret benannt?
- Plausibilitätscheck
- Passt die Bewertung zur Seniorität und Unternehmensgröße?
- Lücken oder Widersprüche zu CV, Projektliste, LinkedIn?
- Risikoindikatoren
- Auffällig vage Formulierungen, fehlende Schlussformel, „im Großen und Ganzen …“
- Ungewöhnliche Datenkonstellationen (häufige Wechsel ohne Zwischenzeugnisse)
Praxis-Tipp:
- Dokumentieren Sie Auffälligkeiten als neutral formulierte Rückfragen; vermeiden Sie voreilige Negativinterpretationen.
Best Practices im Recruiting-Prozess
- Zeugnis aktiv anfordern: Insbesondere das qualifizierte Endzeugnis der letzten Station sowie ein aktuelles Zwischenzeugnis bei laufendem Wechsel.
- Kandidaten sensibilisieren: Klären Sie über den Anspruch und sinnvolle Zeitpunkte zur Anforderung auf – das stärkt das Profil.
- Referenzen ergänzen: Gerade bei standardisierten Zeugnissen sind Referenzgespräche, Arbeitsproben und Projektportfolios essenziell.
- Bias vermeiden: Zeugniscodes im Kontext lesen, kulturelle Unterschiede berücksichtigen (z. B. Start-ups vs. Konzerne).
Weiterführend:
- So bauen Sie einen effizienten, kandidatenzentrierten Prozess auf: Personalvermittlung
- KI sinnvoll in die Vorselektion integrieren: Personalvermittlung und KI
- Strategien gegen den IT-Fachkräftemangel: IT-Fachkräftemangel: Sourcing-Strategien
- Compliance bei KI im Recruiting: EU AI Act Compliance
Automatisierung im HR-Workflow: So unterstützt Software
Mit moderner Recruiting-Software lassen sich Zeugnisse nahtlos in den digitalen Prozess integrieren:
- One-Click-Bewerbung inkl. Dokument-Upload (PDF/E‑Zeugnis).
- Automatischer QES-Check und Ablage der Prüfergebnisse im Kandidatenprofil.
- Extraktion der Kernaussagen aus dem Zeugnis (Tätigkeiten, Leistungsstatement, Führungsverhalten) zur Erstellung eines aussagekräftigen Kandidaten-Exposés.
- Flagging von Auffälligkeiten (fehlende Schlussformel, vage Bewertung) für die manuelle Review.
Praxis-Tipp:
- Legen Sie einheitliche Bewertungsrubriken fest (z. B. „Leistung“, „Team/Kommunikation“, „Führung“, „Zuverlässigkeit“) und mappen Sie extrahierte Aussagen darauf. So steigern Sie die Vergleichbarkeit zwischen Kandidaten – unabhängig vom Zeugnisstil des früheren Arbeitgebers.
Fristen, Korrekturen und Anspruchsdurchsetzung
Anspruch und Fristen:
- Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Er verjährt regelmäßig nach drei Jahren (zivilrechtliche Verjährungsfrist ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses). In Einzelfällen kann der Anspruch früher verwirken, wenn er längere Zeit nicht geltend gemacht wird.
- Korrekturen: Bei inhaltlichen Fehlern oder unzulässigen Formulierungen kann der Arbeitnehmer eine Berichtigung verlangen. Bei E‑Zeugnissen beachten: Zeitstempel und Signaturprozess bei Neuausstellung.
Vorgehen im Streitfall:
- Zunächst schriftlich und konkret um Korrektur bitten (mit Beispielen, Projekten, KPIs belegen).
- Interne Eskalation und, falls nötig, rechtliche Schritte prüfen. Eine gute Übersicht zu Form und Inhalt bietet die IHK: https://www.ihk.de/schwaben/produktmarken/beratung-und-service/recht-und-steuern/arbeitsrecht-und-personal/arbeitszeugnis-5477208
Praxis-Tipp:
- Kandidaten schon vor Austritt ermutigen, ein Zwischenzeugnis anzufordern. Das erhöht die Chance auf ein aktuelles, aussagekräftiges Dokument ohne Zeitdruck.
Fazit Das Arbeitszeugnis bleibt ein relevanter, aber nicht alleiniger Baustein in der Eignungsdiagnostik. Wer rechtliche Rahmenbedingungen (QES, AGG, § 109 GewO) kennt, Zeugniscodes kontextsensibel interpretiert und digitale Prüfprozesse etabliert, trifft bessere Entscheidungen – schneller und belastbarer. Mit klaren Checklisten, ergänzenden Referenzen und smarter Software holen Sie das Maximum aus diesem Dokument, ohne seiner Aussagekraft zu viel oder zu wenig Gewicht beizumessen.